Malerin ohne Grenzen

Wie ein großes Tuch fällt der schwere Stoff auf den Boden. Rund 150 Kubikmeter Schaumstoff türmen sich zu einer weichen, fließenden Form, deren Falten sich in den Raum ausbreiten. Der weiße Stoff wird zum plastischen Relief, zum Malgrund, der wie eine riesige Leinwand zu Boden zu gleiten scheint und gleichzeitig selbst zur bewegten Landschaft wird. Mit ihren ausladenden Arbeiten bezieht Katharina Grosse die Orte mit ein, an denen sie entstehen, erforscht sie nach ihrem Sinn und ihrer Geschichte. Sie verändert die Wahrnehmung des Raumes und kreiert mit leuchtenden Farben konkret neue Kompositionen. Katharina Grosse zählt bereits seit Jahren zu den international bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Generation. Das obige Titelbild „The floor up more highly“ stammt von ihr …

„Ich bin ein Sender“

So lautet der Titel einer Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne über die Multiples von Joseph Beuys. Er sah sich selbst als Sender und sah in den Multiples „Antennen“, die seine Visionen in die Welt ausstrahlen sollten. Seit Mitte der 1960er Jahre bis zu seinem Tod 1986 schuf der einstige als „homo religiosus“ verklärte Meister zahlreiche Multiples – preiswerte, in kleiner bis hoher Auflage produzierte Kunstwerke, durch die er seine Ideen einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen wollte. Von den über 500 von Beuys in sehr unterschiedlichen Formaten und Materialien kreierten Vervielfältigungen werden erstmals an die hundert Arbeiten aus dem Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen präsentiert…

Das Salz der Erde

Auf den Filmfestspielen von Cannes und während des Münchner Filmfests erhielt er euphorischen Applaus: Wim Wenders neuer prämierter Dokumentarflm „The Salt of the Earth“ ist eine Hommage an den 70jährigen brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, der auf allen Kontinenten die Spuren der sich wandelnden Welt und ihrer Geschichte dokumentierte. Er wurde Zeuge von Kriegen, Vertreibungen, Genozid, Hungersnöten und Leid. Entstanden sind überwältigende Schwarz-Weiß-Bilder, die gleich zu Beginn des zweistündigen Film unter die Haut gehen. Der Film kommt am 30. Oktober in die deutschen Kinos…

Romantiker und Illusionist

Bildender Künstler, Bühnenbildner oder Regisseur – Hans Op de Beeck lässt sich nicht auf ein einziges Genre festschrieben. Er agiert virtuos in allen künstlerischen Gattungen und kreiert Szenarien, in die er den Betrachter einbezieht. Seine Werke erzählen melancholische Geschichten vom schleichenden Vergehen der Zeit. „Meine Werke sind ein Kommentar zu unserer tragikomischen menschlichen Lage, dazu, wie wir unseren Lebensraum im Kleinen wie im Großen nach Art eines Bühnenbildes manipulieren, und dazu, wie wir in dieser anthropomorphisierten Umwelt versuchen, unsere eigene Irrelevanz und Sterblichkeit mit Ritualen und Gewohnheiten abzuwenden“, so der Künstler. Doch unterlegt Op de Beeck diese Dramatik in seinen subtilen Arbeiten oft mit einer Prise Absurdität und Humor… Im Interview des neuen Heftes von CU(L)T können Sie mehr über diesen außergewöhnlichen Künstler erfahren…

Das Menschenschwein im Visier

Kein anderer schildert so drastisch die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ und ihre gesellschaftlichen Folgen wie der Zeichner und Maler George Grosz. Schon vor dem Krieg hat er ein Faible für das Groteske in Vergnügungsparks und Abnormitäten-Kabinetten. Seine grafischen Mappen und Illustrationen für Zeitschriften sowie spektakuläre Prozesse wegen Beleidigung der Reichswehr und Verletzung der bürgerlichen Moral machen ihn in den 1920er Jahren zum bekanntesten deutschen Künstler. Mit Beginn des Krieges beherrschen seine Bildwelt die Antagonismen von Grauen und Humor, mit denen Grosz die traumatischen Kriegserlebnisse zu bewältigen sucht. Die traumatischen Erlebnisse seines Kriegsdienstes protokolliert er in unzähligen stenogrammartigen Skizzen von Toten und Schlachtfeldern. Er schildert, wie der Krieg die Stadt und die Zivilbevölkerung erreicht hat, indem die Allgegenwart von Gewalt, Mord und Totschlag die Menschen in unmoralische, groteske Wesen verwandelt. Mit seinem messerscharfen Strich wurde Grosz zum schärfsten Kritiker der Nachkriegszeit…

Schwangengesang

Ein selbstironischer Rückblick auf eine vergangene Bühnenkarriere kam im Münchner i-camp/ neues theater zur Uraufführung. Autobiografisch analysiert eine ehemalige Profitänzerin ihr Berufsleben und deren Glanzleistungen und rechnet mit dem irrwitzigen Trainingsalltag ab. Unter dem Motto „Schwangengesang“, so bezeichnen Eingeweihte den letzten Auftritt eines Künstlers, inszeniert sich Annett Göhre in vehementen Gesten und Posen selbst… Es ist eine Seelenlandschaft der eisernen Disziplin, bestimmt von vorgerechneten 239.299 Tendus aus jahrzehntlangem täglichen Ballett-Training. Man leidet mit dieser zerrissenen Persönlichkeit, deren fragiles Leben im Hier und Jetzt verzweifelt nach Verortung sucht in einem störungsanfälligen, schmerzvollen Balanceakt. Und die doch an die poetische, inspirierende Kraft des Tanzes glaubt, und sich mit einem letzten großen Lachanfall wohl damit ausgesöhnt hat, dass professionellen Bühnentänzerinnen naturgemäß eine sehr kurze Berufslaufbahn beschieden ist…