Textile Kunst

Sie wurde lange Zeit als „Frauenkram“ und weibliche Hausarbeit abgetan, bis Rosemarie Trockel Anfang der 1980er Jahre ihre ersten Strickbilder schuf und das Klischee des Textilen als geschlechtsspezifische Ausdruckform umwertete.  Im Kunstmuseum Wolfsburg ist das Kapitel „Spiderwoman“ wichtigen Protagonistinnen der feministischen Kunst gewidmet, neben Trockel auch Louise Bourgeois, Mona Hatoum und Ghada Amer. Seither haben Künstler/innen das Bedeutungsspektrum des Textilen enorm erweitert. Heute ist das aktuelle Kunstschaffen geradezu durchsetzt von Arbeiten aus Fäden und Stoffen, genähten Strukturen und gehäkelten Installationen.  „Menschsein heißt Leben mit Stoff“, so die Textilforscherin Beverly Gordon….

Leben auf dem Vulkan

Am 24. August des Jahres 79 v.Chr. scheint die Sonne. Gegen 10 Uhr wird Pompeji  von Erdstößen erschüttert, Dächer stürzen ein. Plötzlich explodiert mit einem dramatischen Knall der Gipfel  des Vesuvs, und eine riesige schwarze Wolke schießt aus seinem Trichter. „Man hörte Weiber heulen, Kinder jammern , Männer schreien“, so schildert der große Geschichtsschreiber  Plinius d.J.  die tödliche Katastrophe, als der Vesuv in einer gewaltigen Eruption Pompeji, Herculaneum und benachbarte Städte unter sich begräbt und alles Leben auslöscht… Die Campania am Golf von Neapel, eine der blühendsten Landschaften Europas, versinkt für Jahrhunderte unter einer bis zu 20 Meter hohen Ascheschicht…  Bei allem Leid, das der Vesuv über die Bewohner Kampaniens gebracht hat – für die Archäologie stellen seine Ausbrüche und die zerstörerischen Naturkatastrophen einen wahren Glücksfall dar, da sie das Leben der Menschen, ihr Wirken und ihre Werke, gleichsam die Jahrtausende alte Siedlungsgeschichte in Momentaufnahmen für die Ewigkeit konservierten.  Rund 260 Exponate in der Münchner Hypo-Kunsthalle geben faszinierende Einblicke in das Leben an den Hängen des Vesuvs….

Powerwalk im Wind

Zwei  Männer mit Windrädern auf ihren Rucksäcken in eisiger Ödlandschaft – ein Unternehmen aus Absurdistan zweier Verrückter oder etwa  gar das Bild einer Fata Morgana wie in der Wüste? Keineswegs! Es handelt sich um das Projekt „Powerwalk“ der Münchner Extremkünstler und Bergsteiger Thomas Huber und Wolfgang Aichner. Sie wollen Europas größten Gletscher, den isländischen Vatnajökull erklimmen. Jeder der beiden hat an die 30 Kilo auf dem Buckel zu verkraften. Im Herbst letzten Jahres startet das Künstlerduo GÆG mit seinen selbstgebastelten, mobilen Windrädern die kräftezehrende Tour von über 60 km Aufstieg. Bewältigen wollen sie eine Strecke vom Basislager bis zur Schutzhütte der isländischen Eisforscher auf 2000 m am Kraterrand des subglazialen Zentralvulkans Grimsvötn…. Was treibt die beiden an? Sie begreifen ihr Projekt als eine Art Selbstversuch, ob sich Windenergie quasi dezentral über menschliche Energiestationen gewinnen ließe. Diese politisch-ironische Aktion soll zum Nachdenken animieren über die Energie-Versorgung als zentraler gesellschaftlicher Herausforderung unserer Zeit….

Chasing Ice

Ein Film, der die Welt aufrütteln sollte: Die spektakuläre preisgekrönte Dokumentation „Chasing Ice“, eine Langzeitaktion in der Arktis, zeigt, dass sich der Klimawandel nicht mehr schönreden lässt. Im Frühjahr 2005 begab sich National Geographic-Fotograf James Balog für ein heikles Projekt in die Arktis: Er wollte den drastisch voranschreitenden Klimawandel mit der Kamera festhalten. Früher hat der Amerikaner, der selbst Geomorphologie studierte, die globale Erwärmung und die warnenden Prognosen der Klimaforscher noch allzu schwarz-malerisch gesehen. Als begeisterter Bergsteiger fing er irgendwann an, neben seiner „environmental photography“ auch Gletscher zu fotografieren. Was er da erblickte, änderte seine Ansicht zum Klimawandel und animierte ihn 2007 dazu, sein ehrgeizigstes Projekt ins Leben zu rufen: EIS, Extreme Ice Survey – Eis unter extremer Beobachtung. Damit wollte er die weltweit dramatische Gletscherschmelze den Menschen visuell bewusst machen – nicht als Schrecknisse, sondern wie ein Porträtfotograf in Bildern, deren Schönheit etwa Richard Avedon in einem vom Leben gezeichneten Antlitz fand….  Im Film „Chasing Ice“ hat Balog dokumentiert, wie Gletscher, die seit Tausenden Jahren existierten, mit rasender Geschwindigkeit verschwinden. Am spektakulärsten sind atemberaubende Szenen mit der Videokamera, die man vorher so noch nie gesehen hat: Mit ohrenbetäubenden Getöse stürzen riesenhafte Eismassen etwa von der Größe Manhattans zusammen, schieben sich ächzend aus dem Inneren nach, als würde die Erde erbrechen….

Globaler Aktivismus

Durch Aktionen von Kleingruppen wie Pussy Riot oder Massenbewegungen wie Occupy und vielen anderen sind in letzter Zeit wiederholt spektakuläre Protestbewegungen in den Fokus einer weltweiten Öffentlichkeit gerückt. Auf völlig verschiedenen Ebenen zeigen sie, was im weitesten Sinn bürgerschaftliches Engagement bewirken kann. Einerseits wird von einer Krise der Demokratie, sogar von einer Postdemokratie, gesprochen. Andererseits beteiligen sich immer mehr Menschen weltweit an vielfältigen bürgerlichen Aktionen, die im öffentlichen Raum auf Missstände aufmerksam machen und zur Veränderung bestehender Verhältnisse auffordern. … Kunst und Handlung gingen seit der Expansion der Künste eine neue Fusion ein, die sich immer mehr aus der rein künstlerischen Intermedialität löst und sich zunehmend auf soziale und humane Situationen konzentriert. So ändern sich auch die Arbeiten der Künstler:  Statt Ölgemälden entstehen Flugblätter, Plakate, Graffitis bzw. Street Art. Anstelle von Holzskulpturen entstehen Onlineportale, Transparente, Medienauftritte. Aus Kunstfilmen werden Youtube-Videos….

Haut als Leinwand

Ab und an räkelt sich der Mensch auf dem Sockel, dann bewegt sich auch das Bild auf seinem Rücken. Sein Träger hingegen dürfte sich inzwischen daran gewöhnt haben. Zur Eröffnung der Winterthurer Ausstellung „Tattoo“ war er als lebendes Kunstwerk zugegen. Seine Haut verkaufen tun viele, das weiß auch Tim Steiner, der Mann, der die Redensart wörtlich genommen hat: „Viele Menschen stellen einen Teil von sich jemandem gegen Entgelt zur Verfügung. Solange das ihre Kopfarbeit oder ihr handwerkliches Können ist, stößt sich niemand daran. Ich habe meinen Rücken verkauft, ich stehe dazu und verstoße damit bewusst gegen gesellschaftliche Regeln.“  Das Bild stammt vom belgischen Künstler Wim Delvoye und zeigt eine Madonna, auf der ein Totenkopf nach Art mexikanischer Todesrituale thront, umschwärmt von Fledermäusen und Schwalben, eingebettet in rote und blaue Rosen. Seit 2008 gehört das Werk einem Hamburger Kunstsammler für den Preis von 240.000 Franken, davon ging ein Drittel an den Träger. Nach dessen Tod darf das Bild chirurgisch entfernt und konserviert werden. Ein makabrer Deal?….

Kunst macht sichtbar

Eine großartige Ausstellung  „Making Visible“ in der Londoner Tate Gallery lässt die fantastische Welt von Paul Klee neu entdecken. Man spürt die Spontaneität des Künstlers, die sich durch sein strenges Kompositonskonzept zwar niemals selbständig macht, sich dafür umso mehr hybridartig des Kubismus, Surrealismus, Symbolismus und Expressionismus bedient.  Der Künstler beginnt jedes Bild mit einem Vier- oder Dreieck, Kreis, Linie oder Punkt, von wo aus er das Motiv bewusst entwickelt oder wachsen lässt, fast wie bei einem lebendigen Organismus…. Der Museumsrundgang in London, beginnend mit den ersten Werken  Paul Klees als Mitglied der „Blauen Reiter“ in München 1913 über die farblichen Einflüsse seiner Tunesien-Reise und die karikaturhaften Werke zum Untergang des Kaiserreichs bis zum Bauhaus und zur Verfolgung in der Nazi-Zeit, endet mit dem Bild „Dämmerblüten“.  Es ist Klees letztes Werk, das er noch auf dem Krankenbett, von schwerer Sklerodermie gezeichnet, Anfang 1940 schuf….