Facing India

Erstmals zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg in Deutschland eine Ausstellung mit sechs Künstlerinnen aus Indien. Sie gehen der Frage nach, wie sich ihr Land aus weiblicher Sicht darstellt. Jenseits von Schubladen- und Kastendenken spiegeln die Exponate eine Art kollektives Plädoyer, das sich in einer zunehmend globalisierten Welt nicht mehr nur auf Indien konzentriert, sondern auch andere Länder einbezieht. Staat, Gesellschaft und Individuum, Identitäts-  sowie Umweltfragen  werden  kritisch unter die Lupe genommen. Dabei zieht sich die Stellung der Frau sowie Solidarität und Empathie wie ein roter Faden durch die Schau. Eine der radikalsten Positionen in der gegenwärtigen Kunst Indiens vertritt Tejal Shah, *1979, deren Werk sich um die pure Essenz von Existenz dreht. In einer Fünf-Kanal-Installation ihrer Documenta-13-Arbeit „Between The Waves“ erkunden scheinbar aus Zeit und Raum gefallene Wesen eine urzeitliche und zugleich unverkennbar zeitgenössische Welt. Offen thematisiert sie in Arbeiten wie „Women like us“ und „I am“, einer Porträtreihe von Inderinnen, deren Selbstverständnis sich nicht mit den konservativen Vorstellungen von weiblicher Identität deckt oder mit „Untitled (On violence)“ die Gewalt durch den Staat gegen das sog. dritte Geschlecht (hijra)… 

Frauen-Power im Dialog

AIst es heute noch sinnvoll, Ausstellungen ausschließlich Kunstwerken von Frauen zu widmen? Welchen Beitrag hat diese Art der Präsentation zur Anerkennung der künstlerischen Arbeit von Frauen bisher geleistet? Mit diesen Fragen beschäftigte sich unlängst das Kunstmuseum Salzburg in einem Symposium, in dem historische und jüngere Beispiele diskutiert wurden. Gewiss ist, dass das Geschlechterdenken oft noch eine große Rolle spielt, wenn es um die Wirkung von Künstlerpositionen und die Rezeption von Werken geht. Obwohl Frauen einen Anteil von etwa 60 Prozent aller Studenten der Bildenden Kunst bilden, sind sie bis heute in Museen und Ausstellungshallen immer noch unterrepräsentiert –  was sich besonders in den institutionellen Sammlungseinkäufen widerspiegelt. Augenfällig sind ebenso die Unterschiede bei den Rekordpreisen auf den internationalen Auktionen, wo Werke männlicher Künstler auch mal mehr als 100 Millionen Dollar erzielen (etwa kürzlich das Modigliani-Gemälde Nude) , während die Preise für Werke von Künstlerinnen weit darunter liegen. Könnte es sein, dass männliche Sammler sich auf Auktionen gern gegenseitig beweisen, wer den längeren Atem hat, und dass sich für dieses Spiel eher die Kunst solcher Künstler eignet, die wie etwa Damien Hirst dem Sammlertyp des männlichen Geschäftsmanns in Sprache und Denken nahekommen? Oder liegt es einfach daran, dass Frauen nicht so viel „Geschrei“ um ihre Werke machen und deshalb nicht so hoch gelistet werden, obwohl sie oft solidere und künstlerisch wertvollere Werke schaffen?  Die Münchner Sammlerin Ingvild Goetz hat anlässlich des 25jährigen Bestehens ihrer Kunstkollektion eine dreiteilige Ausstellung mit dem Titel „Generations. Künstlerinnen im Dialog“ initiiert. Sie sieht in der Kunst von Frauen eine genuine weibliche Ästhetik, die „mich viel stärker anspricht und herausfordert“, als dies bei der männlichen Kunst der Fall sei….